Europäische vs. chinesische Produktion
Mein erstes Modell (aus dem letzten Blogeintrag) war mit dem heimischen 3D Drucker und ohne professionelle Platine gebaut. Nachdem ich erstes positives Feedback von Nachbarn und Freunden bekommen hatte hat mich der Ehrgeiz gepackt und ich wollte das Gerät mit einem schöneren Gehäuse und vor allen Dingen auch einer professionellen Platine bauen. Ich möchte euch das was ich dabei gelernt habe in drei Kapiteln vorstellen.
Herstellung der Hauptplatine
Ich hatte von einem Arbeitskollegen gehört, dass es eine Firma mit dem kryptischen Namen JLCPCB geben würde bei der man seine Platinen günstig produzieren lassen könne und dass diese Firma auch 3D Druck übernehmen würden (kleine Seitenbemerkung: Es hat tatsächlich gedauert, bis ich den Namen auswendig konnte). Ich fand das Konzept der Firma interessant und wollte es ausprobieren.
In meiner Zeit als Student habe ich Leiterplatten mit der Software Eagle entwickelt. Das war gar nicht so einfach aber nach einer Weile war ich drin und wusste wie ich meine Leiterplatte erstelle. Das hat sogar richtig Spaß gemacht. Das Ergebnis der Arbeit war dann eine Platine, die man als Student selber bestücken "durfte". Ich erinnere mich noch sehr gut daran, wie mein Betreuer mir beigebracht hat, wie man wirklich kleine Bauteile lötet. Ich weiß nicht, ob man für einen kleinen Taler die Bauteile auch damals hätte bestücken lassen können aber in jedem Fall hat das niemand am Institut gemacht. Einerseits ist es natürlich für angehende Ingenieure gut, wenn sie die Platinen selber bestücken und aus Institussicht natürlich auch unfassbar günstig. In jedem Fall war es eine ziemliche Heidenarbeit, die ich mittlerweile mit schlechteren Augen gar nicht mehr machen könnte. Leider. Das tolle an JLCPCB ist, dass sie eine eigene (einfach zu bedienende) Software haben mit der man die Leiterplatten erstellen kann und diese Software mit dem Bauteillager von JLCPCB verknüft ist. Damit meine ich, dass man sich bei JLCPCB nicht nur die Platinen bestellen kann sondern auch die Platinen auch bestücken lassen kann. Das ist im Vergleich zu meinen Studienzeiten ein unfassbarer Vorteil.
Um euch ein Gefühl zu geben, wie man Platinen designed habe ich zwei Bilder eingefügt: Einmal ein Bild davon, wie der Schaltplaneditor von JLCPCB aussieht und einmal ein Bild wie die bestückte Platine aussieht. Nur um es kurz noch einmal gesagt zu haben: Die aktuelle Version vom Cleveralarm sieht deutlich komplizierter aus. Die Bilder hier sind von einem allerersten Prototypen, den ich bei JLCPCB bestellt hatte.
Ich will hier keine Werbung machen aber ich find es wirklich beeindruckend, wie einfach das Erstellen von professionellen Leiterplatinen mittlerweile geworden ist. Daneben gibt es noch ein weiteres Detail, das erwähnenswert ist: JLCPCB richtet jedem Kunden umsonst sein eigenes Bauteillager ein. Das hat zwei Vorteile: Einerseits ist es so möglich, mit Mengenrabatt einzukaufen (wenn man z.B. 100 Bauteile kauft gibt es schon einen guten Preisnachlass, bei 200 Bauteilen noch mehr und so weiter) und andererseits hat man so Unabhängigkeit gegen Verfügbarkeitsschwankungen von Bauteilen im Hauptlager von JLCPCB.
Bitte nicht falsch verstehen, das soll hier keine Dauerwerbesendung sein, wo ich JLCPCB über den Klee lobe. Stattdessen will ich einfach nur wiedergeben, was ich bei der Produktion der Platinen erlebt habe. Ich habe mir natürlich auch ein paar europäische Alternativen zu JLCPCB angesehen und den Preisrechner auf deren Websiten gemacht. Ich weiß nicht mehr, wie hoch der Preisunterschied ganz genau war aber ich glaube er war in der Größenordnung von doppelt so teuer. Ihr versteht wahrscheinlich, dass ich die europäischen Alternativen dann nicht weiter verfolgt habe, denn doppelt so teuer ist einfach doppelt so teuer.
Hinsichtlich Qualität: Bei meiner lezten Lieferung von JLCPCB waren von 30 Platinen drei defekt. Das könnte natürlich besser sein. Zumindest ich kann damit aber gut leben. Trotzdem möchte ich es nicht unerwähnt lassen.
Herstellung des Gehäuses
Bei der Herstellung des Gehäuses habe ich zunächst auf europäische Firmen gesetzt. Konkret gibt es mittlerweile bei zahlreichen Firmen sogeannte "Auto-Quoting" Systeme. Das bedeutet, man lädt seine Designdatei hoch und erhält innerhalb von 10 bis 15 Sekunden einen Preis. Ich habe das bei verschiedenen Firmen gemacht und meine Datei bei zwei Firmen in Auftrag gegeben. Für die Profis unter euch: Konkret ging es darum, das Gehäuse vom Cleveralarm in FDM Technologie drucken zu lassen. Die Qualität, die ich bekommen habe war so mäßig gut würde ich sagen.
Prinzipiell find ich die FDM Technologie wirklich gut. Sie ist umweltschonend, einfach zu beherrschen, liefert ganz okaye Ergebnisse. Das einzige Manko bei FDM ist, dass man die verschiedenen Schichten sieht und die Auflösung deutlich schlechter als bei der SLA Technologie ist. Daneben gibt es die sogenannte SLA Technologie, die um Längen bessere qualitative Ergebnisse liefert allerdings zumindest im privaten Bereich deutlich schwerer zu handeln ist, weil sie darauf basiert, dass Harze mit UV ausgehärtet werden. Zusammengefasst eine klebrige und stinkige Angelegenheit. Bei den Firmen, die ich mir in Europa angesehen hatte, war es so, dass die Drucke in SLA immer ungefähr zwei bis dreimal so teuer waren als in FDM Technologie.
Nachdem ich die ersten FDM Ergebnisse hatte und nicht richtig überzeugt war hatte ich bei JLCPCB geschaut, wie teuer eigentlich ein Druck in SLA Technologie ist. Und "shame on me": Ich hätte das sofort tun sollen aber interessanterweise war der Druck in SLA mit Shippment und Zollgebühren sogar etwas günstiger als die FDM Gehäuse aus Europa. Und die Ergebnisse sind wirklich richtig richtig gut. Erneut: Es soll keine Dauerwerbesendung sein sondern einfach nur das wiederspiegeln, was ich beim Herstellen der Gehäuse erlebt habt. Als zustäzlichen Service kann man sich bei JLCPCB die Drucke ansprühen lassen. Auch hier sind die Ergebnisse wirklich überzeugend und die Kosten sehr gut.
Einkauf von speziellen Keramikplatten
Ich werde zu dem Thema demnächst noch einen Blogartikel schreiben aber ich war auf dem deutschen Alarmanlagenforum und habe dort den Cleveralarm vorgestellt. Es gab verschiedene Kommentare, die ich wirklich hilfreich fand. Ein Kommentar war, dass der User einfach das Gerät "aufbohren würde". Mich hat das ziemlich nachdenklich gemacht (das Gerät kann übrigens nicht einfach aufgebohrt werden!) und ich habe überlegt, wie ich das Gerät gegen Aufbohren schützen kann. Nachdem ich mich ein bisschen eingelesen und mit ChatGPT zum Thema gesprochen habe habe ich gelernt, dass man Geräte mit einer Sandwichstruktur - Metall und Keramik - gut gegen Aufbohren schüzen kann. Das liegt daran, dass Keramik sehr schwer zu durchbohren ist und man nur sehr dünne Keramikschichten benötigt, um einen guten Schutz gegen Bohren zu haben. Das Metall schützt gegen Schläge bei der die Keramik brechen würde.
Deshalb bin ich auf den Gedanken gekommen, mir kleine Keramikplättchen zu bestellen, die die sensiblen Bereiche des Cleveralarms besonders schützt. Ich meine wie teuer können kleine Keramikplättchen schon sein, dachte ich. "Pfennigartikel und super Schutz". Ich habe zwei europäische und zwei chinesische Hersteller nach Angeboten für Keramikplättchen aus sogenanntem Siliciumcarbid gefragt. Übringes nichts mit "Pfennigartikel und super Schutz". Die kleinen Plättchen hätten 50€ pro Plättchen gekostet. Übrigens: Es tut mir wirklich in der Seele weh, aber es war wieder so, dass die Keramikplättchen, die ich in Europa bestellt habe, deutlich deutlich deutlich teurer waren. Außerdem hat mindestens ein Verkäufer eine Lieferzeit von 8 bis 9 Wochen angegeben und ein zweiter Verkäufer eine Lieferzeit von vier Wochen und dass er noch Tests machen müsse, ob es überhaupt klappen würde. Und das obwohl der Verkäufer auf der Homepage Siliciumcarbid als Material genannt hat.
Zusammenfassung
Ich habe Elektrotechnik studiert, weil ich unheimlich gerne "Sachen baue" und verstehen wollte, wie die Grundlagen eigentlich funktionieren. Leider mache ich mir mittlerweile wirklich Sorgen, dass wir von China überholt werden. Und wenn ich jetzt höre, "Ja,ja, Christian, das waren alles nur niedere Herstellungsarbeiten und beim qualitatitiven Maschinenbau oder Elektrotechnik sieht es ganz anders aus" kann ich nur entgegen, dass es JLCPCB geschafft hat, ein komplettes und sehr durchdachtes Ökosystem zur kinderleichten Herstellung von Platinen, 3D Druck und CNC zu bauen. Und dieses Ökosystem aufzubauen das setzt meiner Meinung nach viel Expertise voraus sonst wäre es nicht so einfach und durchdacht wie es eben ist.
Ich habe neulich das (meiner Meinung nach) sehr sehenswerte Video von Herbert Diess bei Jung und naiv gesehen. Er trifft verschiedene Kernaussagen. Eine davon ist, dass Deutschland aufgrund der hohen Lohnkosten qualitativ hochwertige Produkte abliefern muss. Er sagt aber auch, dass wir das können und der Zug noch nicht abgefahren ist und sich die deutsche Automobilbranche gegenüber China im Premiumsegement durchsetzen kann. Ich finde das eine sehr schöne Botschaft und hoffe, dass er recht behält und wir uns in Europa mit qualitativ hochwertigen Produkten durchsetzen können. Go Europe, Go!